Das Innenleben höherer Pflanzen


Mit einer Rasierklinge, einem Mikroskop und etwas Geduld kann man sich umfassende Einblicke in das Innenleben der Pflanzenwelt verschaffen. Auch hier wird deutlich, dass Formschönheit sich nicht auf grüne Farbe und buntes Blütenwerk beschränkt. An das sprichwörtliche Grasgrün und die vielen Blütenfarben und Pflanzenformen ist man "gewöhnt". Die Merkmale des inneren Aufbaus, die man so ohne Weiteres nicht sehen kann, haben allerdings auch ihre Reize, und bringen, von ästhetischen Annehmlichkeiten abgesehen, auch Einblicke in die Physiologie der Pflanzen. Und damit ein Verständnis für Lebensformen, die immerhin gut 99 % der irdischen Biomasse ausmachen. Die Merkmale, die man sichtbar machen kann, sind beim Färben biochemischer Natur, und lassen eine recht genaue Zuordnung zu. Bei Pflanzen unterscheidet man zum Beispiel verholztes Gewebe und Unverholztes. "Verholzt" heisst, dass ausser der Cellulose, die die Zellwände der Pflanzen bildet, stabilisierende Bindemittel vorhanden sind die den Geweben der Pflanze die notwendige Stabilität verleihen. Diese Substanzen sind z.B. Lignin, das sich von der Struktur her mit Polystryrol (auch ein aromatisches Polymer) vergleichen lässt. Ob nun ein Gewebeteil verholzt ist, oder nicht, lässt sich mit einer Farbstofflösung herausfinden. Verholztes Gewebe wird mit Neufuchsin rot gefärbt, Unverholztes (Astra)blau (2). Dies sieht man hier an einem etwa 1,5 mm breiten Schnitt durch einen Efeu - Blattstengel:


hedera helix, Handschnitt mit ACN gefärbt, 2,5x/0,08 Planachromat, 16x K Okular, Canon A95


Natürlich ist es naheliegend, in der Anordnung der Pflanzlichen Gewebe ein System zu suchen. Glücklicherweise ist dies auch zu bewerkstelligen, und nicht einmal so kompliziert. Allerdings ist dies beim Efeuschnitt, der hier gezeigt ist, weniger anschaulich, dafür optisch recht ansprechend:

hedera helix, Handschnitt mit ACN gefärbt, 16x/0,35 Planachromat, 10x Kpl-Okular, Canon A95


Als ganzes ist diese Gewebeform ein offen kollaterales Leitbündel, da mehrere Leitbündel nebeneinander verlaufen, und separate Einheiten bilden. Im Bezug auf das Efeu findet sich eine eingehende Erklärung in (1). Eine meiner Meinung nach klarere Übersicht über die verschiedenen Leitgewebetypen lässt sich recht gut mit einem Schnitt durch die Forsythie geben:



Forsythie, Handschnitt mit ACN gefärbt, 2,5/0,08 Planachromat, Okular 16x K, Canon A95



Blätter



An einem Blattstiel findet sich gewöhnlich ein Blatt, hier hat es mir aber ein Oleander angetan, dessen Blätter eine Anpassung an warme Gefilde erwarten lassen. Zunächst einmal eine Übersicht:

nerium oleander, Handschnitt mit ACN gefärbt, 2,5/0,08 Planachromat, Okular 16x K, Canon A95



Auffallenderweise ist die Oberseite dieses Blattes hermetisch abgeriegelt. Unter der Epidermis, also der oberen "Haut" des Blattes, findet man 2 Zellreihen recht kleiner, dickwandiger Zellen, gefolgt vom "Palisadenparenchym", also den Stapelreihen von 2-3 länglicheren Zellen. Da Oleander sich in trockener Umgebung behaupten müssen, haben sie eine besondere Methode, Luft hinein, aber wenig Wasser hinaus zu lassen:

nerium oleander, Handschnitt mit ACN gefärbt, 25/0,6 Ph2 Neofluar (Hellfeld), 8x Kpl-Okular, Canon A95



Die Haare, die sich in diesen "Höhlen" befinden, sorgen für einen erhöhten Strömungswiderstand, evt. können sie sogar Wasser anreichern (?). Geschützt von diesen Haaren sind die Spaltöffnungen untergebracht, die quasi als Ventile regeln, wann ein Gasaustausch mit der Umgebung stattfinden soll. Also - das ist bis jetzt jedenfalls meine Deutung...

Die Oleander-Schnitte waren meine ersten Blattschnitte. Möhren als Hilfsmittel waren nicht greifbar, Styropor ist als Schneidhilfe nicht geeignet, also musste als Hilfsmittel nur ein Tropfen Glycerin herhalten. Das Blatt wurde auf ein Stückchen Balsaholz gelegt, und dann der Versuch unternommen, irgendwie eine möglichst dünne Scheibe abzuschneiden, dann Färbung mit ACN und Eindeckung in Malinol nach Entwässerung. Der apparative "Aufwand" für solche Erkundungen ist also fast gleich null, die Ansprüche an die Optik sehr bescheiden, und die Zahl der Untersuchungsobjekte praktisch unendlich. Was man wohl zur Hand haben sollte, ist ein dickes Botanik-Buch und viel Zeit, beides fehlt mir momentan ein wenig.

(1)Jaroslav Jurcak im "Mikrokosmos" (1996, Seite 289): "Mikroskopische Erfahrungen mit Efeu".
(2) Etzold H im "Mikrokosmos" (2002, Seite 316): "Simultanfärbung von Pflanzenschnitten mit Fuchsin, Chrysoidin und Astrablau".
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