Die Kassierer


Im Lichte von:

„Das Unbehagen in der Kultur“

nach S. Freud



Eine Hausarbeit


von


Norman Reppingen


In Folge des Seminars:


Tiefenhermeneutische Kulturanalyse,



im Wintersemester 1998 bei




Herrn Dr. Jürgen Landwehr.



















Inhaltsverzeichnis


Seite





Titelblatt............................................................................ 1


Inhaltsverzeichnis............................................................. 2


Einleitung........................................................................... 3


Kapitel 1.............................................................................. 4


Die Triebe ( Unterkapitel zu Kapitel 1 ).......................... 5


Kapitel 2 : Die Kassierer und ihr Werk.......................... 9


Fazit.................................................................................... 17















Einleitung



„Und was die therapeutische Verwendung der Einsicht betrifft, was hülfe die zutreffendste Analyse der sozialen Neurose, da niemand die Autorität besitzt, der Masse Therapie aufzudrängen ?

Trotz aller dieser Erwartungen darf man erwarten, daß jemand

eines Tages das Wagnis einer solchen Pathologie der kulturellen

Gemeinschaft unternehmen wird.


Sigmund Freud im letzten Kapitel der Schrift „ Das Unbehagen in der Kultur“.




Nun, so weit, den „Kassierern“ diese Ruhmestat zuzutrauen, sollte man, um Frustration und Enttäuschung von vornherein auszuschliessen, nicht unbedingt gehen.

„Die Kassierer“ sind eine Musikgruppe, die eher der linken Szene zuzuordnen ist,

und die sich alleine aus diesem Grunde der allgemeinen Akzeptanz entzieht.

Was sie ja zu einem erheblichen Teil mit Freud verbindet.

Ein weiterer Grund des Anstosses ist der zum Teil mit minimalen Mitteln maximal obszön

gefärbte Text, der vor den „übelsten“ Exzessen nicht zurückscheut,

die jeder feine Bürger „aus tiefstem Herzen“ als amoralisch bezeichnen würde.

Beim Urteil, ob diese Ablehnungshaltung aus dem „Ich“ oder aus dem „Über - Ich“

motiviert ist, wäre ich schon an diesem Punkt sehr vorsichtig.

Das sich an diesem Punkt aufdrängende Zitat der „Kassierer“:


„Tun wir nicht so, als ob die Jahrmilliarden der Geschichte unseres Universums einzig und allein dem Zweck gedient hätten, uns und unsere Gegenwart hervorzubringen.“


Also in der Bewertung unseres Kulturstandards gibt es auch hier Parallelen.

Die entscheidende Frage ist nun: Was kann man von DEM Psychologen des frühen 20 ten Jahrhunderts und einer scheinbar wild gewordenen/geborenen Musikgruppe erwarten,

wenn man auf die Erlösung der Menschheit anzuspielen wünscht ?

Die in Aussicht gestellte Ausbeute erscheint zunächst sehr klein,

schliesslich hat Freud mit seinem „Unbehagen“ eigentlich schon ganze Arbeit geleistet,

und die Frage, was uns die von Pubertätsvarianten triefenden Liedtexte bringen sollen,

sei durchaus erlaubt. Ich möchte die Kassierer, obschon kaum „Gesllschaftsfähig“,

nicht von vornherein schlecht reden, denn erstens ist Musikkritiker weder ein von mir ausgeführter und erst recht nicht angestrebter Beruf, und zweitens würde das Einbringen von Geschmacksfragen an falscher Stelle die Erfolgschancen eines solchen Unterfangens schmälern.






Kapitel 1


Die Werkzeuge Freuds, oder: Ein Versuch der Sammlung Freudscher Motive im Untersuchungsobjekt.


Mehr als ein Versprechen:


„Ich töte meinen Nachbar und verprügel´ seine Leiche !“ (1)



Das Lied fängt damit an, dass ein Mensch dazu aufgefordert wird, die Treppe zu putzen,

und den Lärmpegel in seiner Wohnung in Zukunft zu mässigen.

Der Mann ( ein Nachbar ) begeht damit nach Freud den „Fehler“ ,

kulturellen Druck auf einen gewissen „Herrn Kampfgarten“ auszuüben,

indem er ihn an seine Verpflichungen als Nachbar erinnert.


„HERR KAMPFGARTEN !!! Wann gedenken sie endlich mal wieder, die Treppe zu putzen ?

Und gestern war es mal wieder GANZ schön LAUT bei IHNEN“

( Die Kapitälchen sind betont )


Es fällt schwer, an dieser rührigen Stelle zu unterbrechen,

aber um diese Situation in das psychosoziale System nach Freud einzubetten,

müssen kurz ein paar Mechanismen erörtert werden, die hier nebeneinander zur Wirkung kommen.

Ich verzichte darauf, „Das Unbehagen in der Kultur“ in seiner vollen Länge zu

repetieren, erstens ist der Text bequem zu lesen, und von überschaubarer Länge,

zweitens wäre das mit meiner derzeitigen Triebkonstitution nicht vereinbar.

Um bei der Wahrheit zu bleiben: Es würde den Rahmen einer Hausarbeit sprengen,

und der/die LeserIn dieser Hausarbeit sind mit den Inhalten der freudschen Lehre vertraut.

Wenn nicht, ergeben sich die Aussagen ( hoffentlich ) aus dem Zusammenhang.


Zunächst einmal ist ein Teil des Freudschen Dilemmas, daß ein Mensch,

um eine Kultur hervorzubringen, oder sich in ihr zu integrieren, auf die Auslebung eines erheblichen Teiles seiner Veranlagungen verzichten muss.

Das wird basierend auf der kulturellen Evolution des Menschen dahin ausgedeutet,

dass im Laufe der Zeit ein Missverhältnis aus Kultur und Freiheit des Tuns

( Triebbefriedigung ) ergeben hat. Zumindest Freud deutet das so.

Dies sei darauf zurückzuführen, dass sich der Mensch im Angesicht einer Lebensfeindlichen

Umgebung entschlossen habe, sein Dasein in Rudelform zu fristen, was ihn in immer stärker werdendem Masse zur Rücksichtnahme auf den Nächsten gezwungen habe.

Es war aber wohl auch nach Freud die einzige Möglichkeit,

da ein Individuum sich allein schon durch seinen Sexualtrieb grundsätzlich nicht zu einem

glücklichen Leben in Einsamkeit hingezogen fühlen kann,

und das Leben durch eine Organisation in der Aufgabenteilung

( Jagen, Sammeln....) eben erheblich komfortabler wird.

Dieser Möglichkeit einer Idylle steht aber nur eines im Wege:





Die Triebe.


( Unterkapitel zu Kapitel No. 1 )



Zunächst ist es natürlich interessant zu wissen:

Wo sind denn die Triebe lokalisiert ?

Als Organ lassen sie sich kaum auf einen gewissen Körperbereich festlegen,

vielmehr enstammen sie aus dem Menschen als Ganzes.

Freud bezeichnet ein Neugeborenes als ein „polymorph perverses Triebbündel“,

was diese Vermutung ein wenig untermauert. Eine erste Kategorisierung in der Tabelle:




Instanz

Zeitpunkt und Art des Entstehens

Inhalte und Funktionen


Es“

Unbewußt




Von Geburt an à älteste Instanz

  • Angeborene Triebe, Bedürfnisse

  • Gehorcht allein dem Lustprinzip

  • verursacht (nach dessen Ausbildung) im Ich ein Unbehagen (sog. Triebspannung)






„Ich“

teils ubw, vbw, bw






Schon kurz nach der Geburt aus der Konfrontation mit der Außenwelt (Realität)

  • Hauptfunktion: Steuerung der Triebe und ihrer Auswirkungen

  • Gehorcht dem Realitätsprinzip

  • Nach Ausbildung des Über-Ichs: Vermittlung zwischen Es, Über-Ich und Realität

  • Ich-Funtion: Wahrnehmen, erinnern, unterscheiden, denken und die o.g. Triebsteuerung und Vermittlung




Über-Ich

Gewissen



Im ca. 4./5. Lebensjahr aus dem Ich durch zunächst elterlichen Einfluß im Rahmen des sog. Ödipuskomplexes, später des gesammtgesellschaftl. Einflusses

  • Normen und Werte der Außenwelt (=Über-Ich im engeren Sinne)

  • Positiv getönte Leitbilder im Sinne: „so möchte ich sein“ (=Ich-Ideal)

  • Ist „Gegenspieler“ des Es (über das Ich)





Da erkennt man also den Übeltäter.

Es ist nicht Stephen Kings „Es“, sondern ein evt. furchtbareres, schrecklicheres „Es“,

das den Menschen offenbar beständig vom Weg der Kultur abzubringen trachtet.

„Es“ fragt nicht, wie es um Mitmenschen oder andere Lebewesen bestellt ist,

sondern widmet sich nur einer Aufgabe: „Es“ begehrt !


Nun, das „Es“ folgt dem Lustprinzip, und ist sich selbst sehr treu.

Jeder Verstoss gegen dieses Prinzip seitens des Inhabers des Triebpotentials

wird geahndet, und bestraft durch:

Unglück, Elend, Leid, Aggression, Hysterie, neurotischen Zuständen und Ärgerem.


Man fragt sich, was „Es“ denn will, und weiter: Welche sind die Triebe ?


Der von Freud als ausserordentlich wirksame Trieb erkannte ist der


„Eros“, ein Basistrieb, der sich in zwei weitere Triebe aufspaltet, nämlich


  1. Den Trieb, der sich auf die Selbsterhaltung bezieht, und


  1. Den Trieb, der sich auf Objekte ( der Begierde ) bezieht. Also der Sexualtrieb ( Libido ).


Der Letztere ist also auch noch zum Arterhaltungstrieb gehörend.


Freud ist auch Verfechter eines weiteren Triebes, des „Todestriebes“;

ein Zitat Freud aus dem „Unbehagen“, Kapitel VI:


“;man konnte annehmen, daß der Todestrieb stumm im Inneren des Lebewesens an dessen Auflösung arbeite, daß sich ein Teil des Triebes gegen die Aussenwelt wende und dann als Trieb zur Aggression und Destruktion zum Vorschein komme.“


Mit genaueren Belegen, um die Existenz des Triebes zu beweisen,

hält sich Freud zurück, und erinnert daran, dass die meisten Menschen

grösste Probleme hätten, diesen Todestrieb in sich selbst anzuerkennen.

( Er tut das im gleichen Kapitel )

Die Äusserungen dieser Triebe nach Freud sind sehr vielseitig und farbenfroh.

Ich möchte damit einen kleinen Einblick in das Freudsche Triebuniversum geben.

So sei ein, vielleicht DER Verdienst des (Kultur)Menschen, dass er in der Urzeit

Der Versuchung standgehalten habe, ein brennendes Feuer mit seinem Harnstrahl auszulöschen, um es ( diesmal das Feuer) schliesslich forttragen und für sich nutzen zu können.


Aus einer Fussnote im „Unbehagen“ erfahren wir: „An der ursprünglichen phallischen

Auffassung der züngelnden, sich in die Höhe reckenden Flamme kann nach vorhandenen Sagen kein Zweifel sein. Das Feuerlöschen durch Urinieren - ... – war also wie ein

sexueller Akt mit einem Mann, ein Genuß der männlichen Potenz im homosexuellen Wettkampf.“ *


*Den Autor dieser Hausarbeit, seineszeichens Feuerwehrmann, hat dieser Satz hart getroffen.





Diese Feststellung ist ein Teil aus den zahlreichen Zeugnissen, die das innige

( aber aus kulturellen Gründen streng verschwiegene !! ) Verhältnis des Menschen zu seinen Fäkalien bekunden.

Freud wurde nie müde, solche Zeugnisse zu finden.

Wie konnte man ein solches Mass der Befremdung erklären, nachkonstruieren und belegen ?

Freud tut das auf Basis der Evolution, und in diesem Zusammenhang bezieht er sich auf den aufrechten Gang. Da Fäkalien aus Gründen der Gravitation stets am Boden zu finden sind,

hat sich der Mensch durch sein Sich-Aufrichten der Gesellschaft seiner Fäkalien selbst beraubt, und wundert sich nun, dass Hunde sich durch ihren abstossenden

( abstossend, weil mittlerweile ungewohnten ? ) Geruch nicht gestört fühlen.

Die Fälle, in denen viele Tiere z.T. auch sehr „kultiviert“ mit Exkrementen umgehen,

sind bei Freud nicht zu finden. Er übergeht diese Tatsache. (Nestreinigung bei Vögeln...)

Vielmehr schreibt er: “Der Antrieb zur Reinlichkeit entspringt dem Drang nach Beseitigung

Der Exkremente, die der Sinneswahrnehmung unangenehm geworden sind.

Wir wissen, daß es in der Kinderstube anders ist. Die Exkremente erregen beim Kinde keine Abscheu, erscheinen ihm als losgelöster Teil seines Körpers wertvoll.“ (2)

Nun, man kann hier mit Sicherheit geteilter Meinung sein, und die Exkremente spielen in der Triebkompensation eine eher untergeordnete Rolle.

Doch gibt diese Betrachtung einen Einblick in die Freudsche Arbeitsweise.

Viel wichtiger sind also die konkreten Strategien zur Triebbefriedigung.

Welche Mittel zur Befriedigung der Triebe werden denn von Freud hauptsächlich ins Feld geführt ?


1. Also, wie bereits festgestellt, die Erfüllung des libidinösen Triebes, also Auslebung des Sexualverhaltens, egal ob gegengeschlechtlicherweise oder homoerotisch;

Freud erkannte den Menschen grundsätzlich als ein zur Bisexualität neigendes Wesen.

Sexuelle Betätigung ist für Freud die einzig wichtige Basis der Ehe.

2. Die Befriedigung oraler Bedürfnisse, initialisiert durch den Anblick und das Saugen an der Mutterbrust, spielt auch eine Rolle, und bleibt als Motiv lebenslang erhalten.


3. Der Aggressionstrieb spielt eine erhebliche Rolle, und ist ein Teil der Selbsterhaltung,

aber in der Entwicklung nicht unkompliziert.

Er ist grundsätzlich gegen die Umwelt gerichetet, und somit nicht gerade kulturschaffend.

Er kann sich aber auch gegen das „Ich“ richten, und wie das zugeht, sehen wir noch.

Der Aggressionstrieb könnte nach Freud ein in den Dienste des Eros gestellter Todestrieb sein, „indem das Lebewesen anderes, Belebtes wie Unbelebtes, anstatt seines eigenen

Selbst vernichtete.“

Er diene natürlich auch als Schutzmechanismus, um Dritte von einem Eingreifen in die

Libidoökonomie abzuhalten. ( Kämpfen um Nahrung, gewalttätiges Balzverhalten )

Eine Hemmung oder Blockade dieser Entwicklung würde die Aggression auf das „Selbst“ reflektieren, die Selbstzerstörung steigern.


Alles weitere sind meistens Konglomerate aus diesen 3 Komponenten.


Was kann also der Mensch tun, um seine Triebe zu befriedigen, also glücklich zu sein ?


Er wird natürlich versuchen, sein Glück in libidinösen Bindungen zu finden,

allen denkbaren körperlichen Genüssen zusagen,

seinen Aggressionen freien Lauf lassen, also richtig „Die Sau rauslassen“.

Das könnte er probieren.


Sexuelle Belästigung ist nun „leider“ eine Straftat, alles Essbare muss in unsere „Kultur“ erst irgendwie erworben werden, und gegen aggressive Ausfälligkeiten wendet sich eine kulturelle Instanz in der Form des Strafgesetzbuches.

Und selbst wenn man einen nach Fromm „orgiastischen“ Zustand eine Weile

aufrecht erhalten könnte, würde es entweder bald langweilig werden,

oder die Freude würde auf anderem Wege ein jähes oder schmachvolles Ende nehmen.


Hier zitiert Freud Goethe:

„Nichts ist schwerer zu ertragen, als eine Reihe von schönen Tagen.“


Ich möchte dem hinzufügen ( aus Goethes Faust ):

„Und doch gelingts ihm nicht, da es (!)*, soviel es strebt,

Verhaftet an den Körpern klebt.

Von Körpern strömts, die Körper macht es schön,

Ein Körper hemmts auf seinem Gange,

So, hoff ich, dauert es nicht lange,

Und mit den Körpern wird’s zugrunde gehen.“


Hier spricht sozusagen Mephistos Destruktionstrieb, und er spricht bittere Wahrheit,

zumindest für den, der dem Freudschen Fatalismus anheim gefallen ist.

Also. Entweder der Körper versagt, was die klassische From des Unglücks wäre,

und auf Dauer schlecht zu vermeiden ist, oder die Gesellschaft, die vom Menschen

geschaffene Kultur, macht dem bunten Treiben ein Ende.

Die Gesellschaft, obschon kulturschaffend, aber nicht gerade zur Elendsverhütung geeignet,

wird von Freud kurzerhand als Bestandteil des „Über – Ichs“ klassifiziert, und enthält alle von der Kultur

gestellten Forderungen.

Z.B. Triebverzicht zugunsten des „Anstands“, Mässigkeit, religiöse Ansprüche

( die Freud z.T. als „unsinnig“ entlarvte ), alle bekannten Verhaltensmassregeln.

Da diese Forderungen nach „Gesellschaftskompatibilität“ sich im Laufe der Entwicklung

Im Menschen als „Einschreibung“ festgesetzt haben, gehören sie zum „Unbewussten“.

Das Ergebnis: Die Last wird von der Mittleren Instanz getragen, dem „Ich“, mit allen Folgen.

Das Ich steht eingepfercht zwischen dem „Über – Ich“ ( dem „Gewissen“ der „Gesellschaft“

Als Vermittlunginstanz der Erwartunserhaltung der Umwelt gegenüber dem Selbst ),

Der Realität, die zeigt, was an möglichen Triebkompensationsmitteln

Zur Verfügung steht, und wie es mit den Nutzungsmöglichkeiten bestellt ist.

Und dem „Es“, das einfach nur ausgerichtet ist auf seine Gier nach allem, was Spass macht.

Ohne Rücksicht auf Verluste.

Und aus diesem Dreiecksverhältnis, dem Trilemma, ensteht das Elend unserer Kultur.


Wo wir nun beim Elend angelangt sind, ist der Zeitpunkt gekommen,

zu unseren Kassierern zurückzukehren.

Wir waren bei dem Mann angelangt, der einen Herrn Kampfgarten zum Treppenputzen und zur Wahrung der Nachtruhe aufruft, und ihn so, da Herr Kampfgarten über ein offenbar weniger entwickeltes „Über – Ich“ verfügt, daran erinnert, seinen kulturellen Pflichten

Nachzukommen.

Ein von der Kultur geknechteter Mensch würde nachgeben, aber nicht wenn er

„Herr Kampfgarten“ heisst, und in einem Lied der Kassierer vorkommt.


*“Das „Es“ und „Ich“ erfährt hier eine von Goethe nicht erahnte Doppeldeutigkeit

Kapitel 2


In medias res – Die Kassierer und ihr Werk.




„HALTS MAUL, DU ARSCHLOCH, DU KANNST FROH SEIN,
WENN ICH DICH AM L E B E N LASSE!!“




So muss eine Antwort auf Einforderung von Triebverzicht nach Freud aussehen.

Kaum ist der zornige, zutiefst „Es“ motivierte Ausruf von Herrn Kampfgarten verklungen,

Folgt die Ballade eines armen Menschenkindes (ein kleiner Hysteriker ?), das verzweifelt versucht, dem Lustprinzip folgend, mit den ständigen Forderungen des „Es“ schritt zu halten.


Der weitere Text:


Wenn ich nachts nach Hause komme, so zwischen drei und vier...

Schläft das ganze Haus in Frieden, und ich öffne erst mal ein Bier.

Ich merke es wieder, es kommt über mich, so spiessig so bieder, so wiederlich,

jetzt spür ich es kommen, gleich ist es so weit, es gibt kein Entkommen, nun bin ich breit !

( cresc. Zum Satzende )

Refrain:

Ich töte meinen Nachbar und verprügel seine Leiche, hau dem alten Sack die Fresse ein, danach nehm ich n Messer, und schlitze ihm den Bauch auf, da gucken wir dann alle rein,

alle reiiin, alle reiiin...( Wiederholungen)

Die schwere Axt in meinen Händen...

Spür den gerechten Stahl !

Jetzt kommt der Tod, metallen, ich schlage zu ein hundert mal!

Du hast keine Zeit, dumme Fragen zu stellen, die Klinge saust nieder, die Axt wird Dich fällen, Dein Kopf ist zerplatzt, wie ne reife Melone, am Beil klebt Gehirn,

Du bist OBEN – OHNE !

(Refrain)

Du bist nicht mehr mein Nachbar, du bist Cevapcici, ich mach noch etwas weiter,

arrividerci, bel ami !

Refrain in Englisch:

I kill my neighbour and i beat up his body, smash his face with all my might.

I take a knife and rip him open, and we all look inside, look insiiide, look insiide.....


Soweit der Liedtext.

Wir sehen hier also einen Menschen, der auf der verzweifelten Suche ist,

das Leben unter dem Diktat seiner Triebe unter einer möglichen Geringhaltung des persönlichen Elends zu fristen.

Das „Über ich“, bisher erfolgreich übergangen, tritt in Form eines Nachbars an ihn heran,

und anstatt sich dem Druck zu beugen, setzt Herr K. auf den Einsatz der Axt,

also widersprüchlicherweise nach Freud ein Produkt der Kultur,

um sich der Unglück dräuenden Einflüsse zu entledigen.

Es geht ihm nicht einfach darum, abwehrende Gesten zu erteilen.

Das würde einen erheblichen Teil des entfesselten Aggressionstriebes unkompensiert lassen.

Die Reaktion tritt so zu Tage, dass das „Es“ in einer orgiastischen Entgleisung des Todestriebes dem Menschenkinde Lust verschafft.

Danach wird der Körper des Toten zunächst verprügelt, und mit dem Messer abermals penetriert, und Herr Kampfgarten betrachtet im Kreise der Seinen

Die Eingeweide des getöten Nachbarn.


Dies ist für Herr K. eine willkommene Abwechslung, da der bisher eingefahrene Alltag,

der sich aus spät nach Hause kommen und Biertrinken zusammensetzt,

nun eine Änderung erfährt.

Die Versuchung war sehr oft da. „Ich merke es wieder....“

Nur diesmal kommt ein weiterer Freudscher Mechanismus zum tragen.

Ganz offensichtlich hat Herr. K. zum ersten Mal einen Nachbarn getötet,

schliesslich wäre der Nachbar sonst nicht so unverschämt.

Also hat er dem Druck, dem Aggressionstrieb freien Lauf zu lassen,

ständig standgehalten, sich aber danach gesehnt, auszubrechen.

Das Über - Ich hatte Herrn K. im Griff, und nicht nur das „Über ich“.

Herr. K. wendete das Mittel der „Intoxikation“ an, ( nach Freud ),

um sich von der Umwelt abzuschotten. Ein nach Freud sehr effektives Mittel,

das nun in der Triebkompensationsökonomie von Herrn K.

einen festen Platz eingenommen hatte, hier wie gesagt in Form von Alkohol.


Oft ist in der Populärmusik der Gegenwart Gewalt im Spiel, aber selten so karikativ und übertrieben direkt wie hier.

Diese Lied könnte eine Hymne an den Aggressionstrieb sein.

Mit genaueren Ausdeutungen wäre ich vorsichtig, Freud würde evt.

Das Messer oder das Beil mit phallischem Symbolgut auf eine Stufe setzen,

was mir persönlich etwas zu gewagt ist , da ich keine Belege für diese Annahme sehe.

Auch eine homoerotische Ausdeutung möchte ich hier nicht vornehmen.

Jedenfalls ist ein (anti)kultureller Exzess gegeben,

der durch die Art der künstlerischen Umsetzung konkret an eine Karikatur eines Kannibalenstammes erinnert, also wenigstens eine kulturelle Randgruppe

dieses Planeten, weit ausserhalb unserer Gesellschaft. Zumindest meistens.

Der Text „Und da schauen wir dann alle rein“, soll wohl die Zuhörer zum Teil des

Kannibalenstammes machen, und die restliche Kultur ausgrenzen.

Es drängt sich der Verdacht auf, dass diese Möglichkeit der kulturellen Selbstausgrenzung,

auf die der Hörer sich ja nicht einlassen muss, in den meisten Titeln der Kassierer vorkommt.



Ein neuer Beitrag zur Überwindung des Generationskonfliktes... ?


Ich will Sex... mit einem älteren Mann, weil ich so veranlagt bihi:n...

Ich möchte total zum Objekt degradiert werden, er gibt Befehle, ich pariere.

Refr: Älterer Herr, wie reifer Wein, Du sollst mein starker Meister sein, älterer Herr,

vermiss Dich sehr. Er muss streng zu mir sein, hm. Denn ich brauche ein straffe Führung.

Erst ab 60 wirst Du interessant, ich weiss dass ich keine Schönheit aber ich gleiche es dadurch aus, dass Du alles an mir ausprobieren kannst. Refrain:...älterer Herr.(leise)

fall´ über mich her.




Wenigstens den ersten Satz dieses Liedtextes würde Freud einem Patienten

vorbehaltlos glauben, wenn nicht gar den ganzen Rest dazu.

Eine der vielen möglichen Diagnosen: Ein überhöhtes Strafbedürfnis seitens des Patienten,

resultierend aus dem üblichen klaffenden Abgrund zwischen dem „Ich“ und „Über – Ich“.

Das arme Menschenkind scheitert daran, den Ansprüchen des „Über-Ich“ gerecht zu werden,

und die daraus resultierende Frustration wird in einen Aggressionstrieb umgekehrt,

der sich, wie üblich, auf das „Selbst“ richtet. Folge: Bedürfnis nach Züchtigung,

als Strafe, dass man Versuchungen nachgegeben hat, anstelle sich einzuschränken.

So könnte Freud das sehen.

Er würde hier zweifelsohne auf die bisexuelle Natur des Menschen eingehen,

und lobend erwähnen, dass man sich hier seiner Bedürfnisse so klar bewusst ist.

Schliesslich war Freud ein Verfechter freierer Sexualität, der die Unsinnigkeit der Verdammung homosexueller Menschen stark anfocht.

Möglicherweise würde Freud hier einen erfolgreich überwundenen oder auf sonderbare Weise ins Gegenteil verkehrten Ödipuskomplex diagnostizieren.

Von Hass gegenüber der Vaterfigur kann hier ja nicht die Rede sein.

Es schwingt aber etwas Ironie mit, also wäre es wohl leichtsinnig, den Text auf eine Bedeutung festzulegen, da die Hintergründe nicht ausreichend geklärt werden können.



Freud war Atheist,


Und das schon als Halbwüchsiger.

Er hat sich ohne „göttlichen Beistand“ durchs Leben geschlagen, aber seine jüdische Abstammung nie zurückgewiesen, das war für ihn etwas Anderes,

etwas mehr Paranationales. (3) Für ihn war Religiösität wohl so etwas wie ein Akt der Hilflosigkeit.

Im Anfang des „Unbehagens“ betont er sein Unverständnis, das er einem gewissen

„ozeanischen Gefühl“ entgegengebracht hatte, das von einem Leser,

der mit der „Religion als Illusion“ übereinstimmt, als Quelle der Religion empfunden wurde.

Da die Religion aber durch die gesellschaftliche Rezeption ein Bestandteil des „Über – ichs“ geworden ist, vor allem weil sie eben in der Erziehung eine grosse Rolle spielt(e),

bekommt sie im Zusammenhang mit Freud auch hier eine Bedeutung,

und muss behandelt werden. Alleine, weil sie gegenwärtig ein fester Bestandteil der Kultur ist, hat sie immer noch einen nicht unbedeutenden Einfluss, vor allem auch

auf die Sexualmoral, was in Freuds Konzept wohl ein nicht unbedeutender Störfaktor sein dürfte. Schliesslich hegt er Zweifel an einer funktionierenden UND monogamen Beziehung.

Die Kassierer haben auch hier einen Beitrag zu leisten. Der Text ist zum Teil etwas unverständlich, ich ersetze diese Stellen, sowie etwaige Wiederholungen durch Punkte.


Grüsst Euch, ich bin Jesus Christus und da nach 2000 Jahr,

Macht es gross und macht es bunt: Junge ich bin wieder da !

Am Markt von Bochum Gärten hab ich mich materialisiert

Die Leute fielen auf die Knie, denn ich bin sehr renommiert!

Dann hab ich allen Männern in die Hoden getreten,

denn ich bin hier der Chef, los, fangt an zu beten !

Refr: Ich bin Jesus ich kann alles, bin berühmt und populär...

Meine Leistungen werden international respektiert.....

Ja ich bin ganz anders als ihr blöden Affen denkt!

Denn ich bin der Allerklügste, und ihr seid beschränkt!

Das Brot der Armen mache ich aus Spass zu braunem Kot und lache mich sodann

über die dummen Gesichter tot ! Refr..... Allmacht, wunderschöne Allmacht, nä ?

Mit meiner Allmacht hab ich bisher jede Frau ins Bett gekriegt,...

Mit einer dummen Frage werde ich oft konfrontiert...

„Eh alter ey sag uns mal, was nach dem Tode passiert“

Ich könnt es Dir zwar sagen aber leck mich am Arsch;

Seh zu, dass du Land gewinnst, sonst blas ich Dir den Marsch !

Ich bin Jesus, ich kann alles..... Bin der grösste Asi im All, das ist doch wohl ein klarer Fall.

Kommt gebt mir euer Geld, weil mir das gut gefällt.

Gleich zauber ich Euch alle weg; alle weg.


Auch hier kommt es also zu „freudianischen Übereinstimmungen“,

auch diemal sehr deutlich formuliert.

Es wird kritisiert, dass die Religion keine vernünftigen Antworten parat hält,

und darauf aufmerksam gemacht, daß göttliches Wirken auf diesem Planeten

nicht definitiv nachzuweisen ist. Auch die nicht wenig ausgeprägte Neigung nach Reichtum der Kirche wird angeprangert, was allein die Kreuzzüge belegen könnten.

Also eine übliche Religionskritik, nur etwas scharf formuliert, mit poetischen Einfärbungen.

Bezeichnend, wie Jesus hier erst in sein Gegenteil verkehrt wird,

und dann auch noch als Vorbild vorgestellt wird.

Er hat keine Libidoprobleme, da er über ein ausgeglichenes Sexualleben verfügt,

und lässt etwaigen Aggressionen freien Lauf.

Und verweigert, Erkenntniss zuzugestehen, auf die Frage, was nach dem Tode passiert.

Dies ist ja auch gleichsam eine Frage nach dem Sinn des Lebens,

oder mehr eine Frage nach Trost. Trost, im Angesicht der Vergänglichkeit und des Elends.

Und wie wird diese Frage von Freud beantwortet ? Etwa so:


„So sinkt mir der Mut, vor meinen Mitmenschen als Prophet aufzustehen,

und ich beuge mich ihrem Vorwurf, daß ich ihnen keinen Trost zu bringen weiß,

denn das verlangen sie im Grunde alle, die wildesten Revolutionäre

nicht weniger leidenschaftlich als die bravsten Frommgläubigen.“

( So Freud im letzten Kapitel des „Unehagens“).


Die Kassierer legen der Jesusfigur also genau die Haltung in den Mund,

von der sie glauben, dass sie der Kirche tatsächlich innewohnt,

mit einer z.T. weltfremden Arroganz, wie Freud es auffassen könnte.

Also ist sogar die Aussage des „Kassierer – Jesus“ fast deckungsgleich mit

Der Aussage Freuds, nur wird Letztere etwas demütiger formuliert.


Gar nicht demütig ist ein weiteres Exempel zum Thema  Exzesse.













Frau Beiersdorf


Sprecherin:

Guten Tag.

Hier spricht Frau Beiersdorf, und ich hatte letztens ein ganz schäbbige Krankheit.

Bei mir kam Kot aus der Scheide.


Sänger, besoffen, primitive Eindrücke verbreitend.


Am letzten Sonntag war ich super blau.

Ich unterhielt mich mit ner geilen Frau.

Ich merkte schnell, die Alte will Verkehr,

vom Alkohol war meine Zunge schwer.


Sie sagte mir, wir gehen jetzt ins Hotel

In meinem Kopf dreht sich ein Karussell.

Ich wette heut wird mir der Stich misslingen

Da meint sie nur: Hör auf zu Singen !


Als sie sich im Zimmer ausgezogen hatte,

bekam ich sofort eine Riesenlatte


Was ich da sah, konnt ich nicht vergessen

Ihr Anblick machte mich richtig besessen.


Sie ritt mich wie ein wildes Tier,

nass vor Schweiss und voller Gier

Riesentitten wogten über mir

und ich vergass die letzten 30 Bier


 Du bekommst jetzt Liebesunterricht,

sagte sie, da verzog sich mein Gesicht,

Mein Gott ich konnt mich nicht zusammenreissen,

mit einem Mal fing ich an zu scheissen !


Ich kann den Stuhl schon wieder nicht halten,

ich kann die Kacke nicht bei mir behalten,

Es schiesst hervor, mit aller Macht,

Ich scheiss aus dem analen Schacht!


Es ist an der Zeit sich nichts mehr vorzuschwindeln

In Zukunft trag ich wohl besser Windeln

Mit meiner schwachen und müden Rosette,

schaff ich es nie bis zur nächsten Toilette.

Mein anus ist nicht mehr, was er mal war,

dabei zähl ich doch erst 20 Jahr...


Suhl Suhl Suhl, jetzt kommt heraus der Stuhl !


Refr.




Geschlechtsteile sind für Freud natürlich hochinteressant.

Doch in diesem  Werk der Kassierer haben wir es sowohl aus männlicher als auch aus weiblicher Sicht mit einer Übersteigerten Darstellung der geschlechtsspezifischen

Organe zu tun, in einer sehr  farbenfrohen Beschreibung. Aus dem männlichen Geschlechtsteil wird, dem Jugendsprachgebrauch gemäss: Eine  Riesenlatte, da wogen  Riesentitten eines Wesens, das zusammen mit dem anderen Wesen in frenetischer Extase der Triebkompensation frönt, er mit  30 Bier wohl mehr als angeheitert. Wieder mal die liebe Intoxikation. Und wieder treten die Exkremente ins Rampenlicht.


 Es wäre unverständlich, daß der Mensch den Namen seines treusesten Freundes in der Tierwelt als Schimpfwort verwendet, wenn der Hund nicht durch zwei Eigenschaften

die Verachtung des Menschen auf sich zöge, daß er ein Geruchstier ist,

daß sich vor Exkrementen nicht scheut, und sich ihrer sexuellen Funktion nicht schämt.

(Fussnote im Kapitel 4 des Unbehagens, letzter Textteil)


Die Funktion der Exkremente bei Freud wurde schon erwähnt,

und hier sind sie in den Geschlechtsakt sogar unmittelbar involviert,

eine Sache, die sogar Freud selten zu Ohren gekommen sein dürfte.

Die Frau in diesem Lied ist ziemlich aktiv, der Freud´sche Vorwurf über die

Passivität der holden Weiblichkeit ist hier nicht anzubringen.

Zur geschlechtlichen Vereinigung kommt hier auch noch

die von Freud beschworene Analerotik, die sich hier in Sätzen äussert wie:

 Es schiesst hervor, mir aller Macht.....

Dieser Satz betont natürlich erneut die Triebhaftigkeit des vorliegenden Handelns.

Genauere Ausführungen kann man sich hier hoffentlich sparen.

Auf die  Riesentitten sollte man noch einmal eingehen.

Die weibliche Brust ist nach Freud der erste Kontakt des Säuglings mit der Aussenwelt,

daher bleibt die Wichtigkeit und psychologische Wirksamkeit dieses

Kontaktes für die Dauer des ganzen restliche Leben hindurch erhalten.

So Freud im ersten Kapitel des Unbehagens: Es muss ihm stärksten Eindruck machen, daß manche Erregungsquellen, in denen er später seine Köperorgane erkennen wird, ihm jederzeit Empfindungen zusenden können, während andere sich ihm zeitweise entziehen darunter das Begehrteste: Die Mutterbrust und erst durch ein Hilfe heischendes Schreien herbeigeholt werden.

Wenn man noch einen Kommentar Freuds über die  Analerotik des jugendlichen Menschen

Ins Feld führen will:

 Das merkwürdigste Beispiel dieses Vorgangs ( der Transfer von Trieben in Charaktereigenschaften) haben wir in der Analerotik des jugendlichen Menschen gefunden.

Sein ursprüngliches Interesse an der Exkretionsfunktion, ( die hier in  ReinKultur hervortritt) ihren Organen, und Produkten wandelt sich im Laufe des Wachstums

in die Gruppe von Eigenschaften um, die uns als Sparsamkeit, Sinn für Ordnung

Und Reinlichkeit bekannt sind, die ... das ergeben, was man den Analcharakter heisst.

Den Beleg bleibt Freud schuldig, aber  an der Richtigkeit dieser Auffassung ist kein Zweifel.

Mit was haben wir es also zu tun ?

Mit dem Bild eines Menschen, der sich für den Rest seines Lebens der Verschwendungssucht

Verschreiben wird ? Das wäre weit hergeholt... aber nach Freud wahrscheinlich zu erwarten.

Oder ist es das Bild einer triebhaften Frau Beiersdorf, deren Grosszügigkeit gewissermassen aus jeder Pore ihres triebhaften Körpers quillt ?

Es ist in jedem Fall ein erneuter Exzess wieder die Kultur, und sehr zu Ehren von Herrn Freud, der sich durch solche direkt formulierten Exzesse geschmeichelt fühlen dürfte.

Doch was wollen die Kassierer mit all diesen Exzessen ?

Eingangs wurde gesagt, dass sie unsere Kultur in Frage stellen, ähnlich wie Freud,

doch wie lautet das Fazit ?


Habe Brille


Nicht gerade von einem Startenor vorgetragen, betont affektiert,

torkelnde Verzweiflung in einem fiktionalen Rausch der  Erkenntnis.

Ich möchte den Text hier nicht en bloc präsentieren,

sondern direkt auf den kursiv gedrucken Liedtext eingehen.



HaaaaaaAAaaabe Brillen die jeden toten Gegenstand im nu beleben;

ihr Glanz dringt leicht durch man; und man sieht das Innerste der Seele.


Also wäre die  Brille in diesem Fall das Instrument, welches Freud zu der Erkenntnis verholfen hätte, die er sich immer schon gewünscht hatte.

Einen unverschnörkelten Weitblick in die Abgründe der menschlichen Seele.

Oder in ihre  Bergeshöhn, was Freud ohnehin nie leicht gefallen ist.


Auch den Seelenlosen geben, sie Seelen - neues Leben ! Ganz entzückt wirkt ihr Blick !

Glaubet mir dieser Brille Kraft jedem Körper Schönheit verschafft.

Wer sie hat, ist Herr der Welt. Jahaa.


Hier geht es also um Schönheit.

Die besagte  Brille kann also ein Mittel sein, um sich zum Herrn der Welt

Zu machen. Oder einem Mann  von Welt, da er Ästhetik und/oder Schönheit

dann bis in die letzte Faser begriffen hätte.

Herr der Welt also, weil er ihre Schönheit erkennen kann, und möglicheweise auch

dort Schönheit ist, wo sie ohne Weiteres nicht vermutet wird.


Zum Vergleich ein Freud Zitat aus dem Kapitel Drei des Unbehagens:

 Wir merken bald, das Unnütze, dessen Schätzung wir von der Kultur erwarten,

ist die Schönheit; wir fordern, daß der Kulturmensch die Schönheit verehre,

wo sie ihm in der kultur begegnet, und sie herstelle an Gegenständen,

soweit seiner Hände Arbeit das Vermag.


Will man sehn, ins Herz einer Frau, ob gut sie oder schlecht, das sieht man genau,


Freuds Patienten waren zumeist Frauen, nur leider wird hier eine Schwachstelle

Der Freudschen Theorie allzu deutlich sichtbar.

Freud wirft der Frau in drei seiner späten Aufsätze zur weiblichen Sexualität

Vor, ihr  Über-Ich sei  seichter, weniger anspruchsvoll als das des Mannes.

Kurz: Die Frau lüge leichter als der Mann.

In diese Aussage beziehe ich mich auf Peter Gray, geb. 1923,

zwischen 1969 und 1993 Professor für Geschichte in Yale.

Er ist anerkannter Freud Interpret.

Also wäre diese Beschreibung einer Brille noch ein Stück näher an Freuds Ziele gerückt.


doch ziehst dus vor zu sehn, nur Reinheit dort, wo Unschuldige stehn,

ganz nach eurem Wunsch, könnt ihr alles sehn, durch diese Brille alles wird erleuchtet und erhellt, wer sie besitzt, jahhaa, der beherrscht die Welt !


Dem Tonfall des Sprechsängers kann man entnehmen,

dass nun vollends die Gäule mit ihm durchgegangen sind,

zusammenfassend werte ich die Brille als das Univeralwerkzeug

vollendeter psychoanalytischer Erkenntnis, was für Freud zweifelsohne der

eigenen, kleinen Weltherrschaft gleichgekommen wäre.

Besonders ihm, dem späten Freud, der nur noch unter Einfluss von Havanna Zigarren

klar denken konnte. ( Ebenfalls nach Peter Gray )

Was auch noch ein Freudscher Beitrag zum Thema Intoxikation sein dürfte;

Die Rauchexzesse beim Treffen mit seinen Anhängern.

Durch seine Anhängerschar rückte er sich, im Nachhinein betrachtet,

noch mehr in die Nähe eines Jesusbildes, und hat mit ihm auch noch gemeinsam,

dass er verraten wurde. Jude war er wie gesagt auch...

Sprecher: Wars das ? Hurra !


Der Himmel schliesst, die Erzengel verteilen sich...

Und die Tragödie beginnt.

Da sitzt nun ein armes Menschenkind, das sich für die Dauer von fast einer Dreiviertelstunde mit den »Kassierern« befasst hat, zumindest, wenn das Gesamtwerk »Habe Brille«

konsumiert wurde, und wird fröhlich irritiert zurückgelassen.

Die Werke der Kassierer werden von der Firma  Teenage Rebel Records

verlegt, was ihren Verwendungszweck auch nachhaltig bezeichnet.

Die Kassierer werden manchmal als »Funpunk« kategorisiert,

lustige Musik, die wenigstens vorübergehend aus dem Zangengriff der Kultur

befreit, und somit auf einer anderen Ebene die seit der Kultur aufgekommene

Freude am Ausbruch aus derselben als ein kleines Fenster

Mit Ausblick auf Glücklichsein darbietet.

In dem Entwicklungsschritt von Teenagern um so mehr willkommen,

als dass sie sich, jeder weiss es, ach so selten verstanden fühlen.

Auch sie teilen also Freuds Schicksal.

Und unter dem Einfluss einer Gesellschaft, deren Humanität nicht unbedingt wächst,

(zumindest liegt dieser Verdacht nicht nahe) immer mehr Entfremdung zu spüren bekommen.

Die Kassierer können nicht unbedingt helfen, das verklemmte Trauma der gesamten Menscheit zu beseitigen, leben aber den Traum von der Freiheit der Triebe vor,

und daher gefallen die Kassierer eben nicht nur Teenagern.

»Die Absicht, daß der Mensch glücklich sei, ist im Plan der Schöpfung nicht enthalten,«

so schreibt Freud im Unbehagen. Aus den genannten mannigfachen Gründen.

Bestimmt aber tragen die Kassierer zu einem kleinen Teil bei,

wenigstens vorübergehend dem Elend der Kultur zu entfliehen.
















FAZIT.


Gerade bei Gegenständen, die der Moral in stärkerer Weise entbehren,

ist die Moral als Folgereaktion in der Diskussion umso mehr ein Thema.

Es ist erfrischend, unter Freuds Protektorat ein wenig auf moralisch motivierte Einschränkungen verzichten zu können, um auf diesem Wege, frei von

gesellschaftlichen Konventionen, das Akzidens der Kassierer zu untersuchen.


Die Ergebnisse sind je nach Perspektive unterschiedlich auswertbar,

es handelt sich hier um Seinsfragen, Ethik, natürlich auch Kultur (und ihre Untermengen),

Gesellschaft; eine endlose Kette.

(Dem Leser zu ermöglichen, sich eine Lesart auszusuchen, war einer der Gründe für die etwas unkonventionelle Gestaltung der vorliegenden Hausarbeit.)


Mögliche Ergebnisse:


1. Die Freudsche Lehre findet sich an einem aktuellen Kulturprodukt

in einer fast akribischen Vollkommenheit bestätigt.

Wenn man Freuds »Unbehagen« als eine aristotelische Beschreibung sehen würde,

wie etwas zu schrieben sei, (wie im Aristotelischen Dramemprinzip),

dann sind die Kassierer die genau die Vorschriften verfolgende Ausgestaltung.

Andererseits werden hier auch die Kassierer durch einen der grössten

Schutzpatrone der Psychoanalyse in nicht unerheblichem Masse

Aufgewertet, vielleicht legitimiert; werden akademisch verstehbar.

Dies wäre ein Ergebnis, welches der Autor der Hausarbeit Ursprünglich gerne gesehen hätte.


2. Eine kritischere Stimme könnte in dem ganzen Vorgang bemängeln,

dass hier gesellschaftliche Auflösungsprozesse geltender Konventionen

und der Verfall hoher Werte im Gange ist.

Gemeint ist der Randgruppencharakter der Kassierer, die ja nun eher nicht von Normalbürgern konsumiert werden, sondern von einem Schlag meist junger Menschen,

die nicht unbedingt bereit sind, sich in das Räderwerk der Gesellschaft ohne Vorbehalte zu integrieren. Gemeint sind möglicherweise Aussteigerfiguren wie z.B. Strassenkinder,

eine nicht unwichtige Minderheit in unserer Gesellschaft,

die in rührender Weise, nämlich durch ihre schlichte Präsenz, zeigen,

wie krank unsere Gesellschaft eigentlich sein muss.

Hier kommt man auf eine interessante Spur.

Es ist an diesem Punkt nämlich nicht gesagt, wer der Sünder ist.

Sind es die Strassenkinder, oder Obdachlose, oder möglichereise Arbeitslose ?

Die, den alten Sündenböcken gleich, in eine gesellschaftliche Wüsste geschickt werden ?

Wer ist also krank?

Ist es jemand, der Bestandteil der Gruppe ist, die Die Kassierer konsumieren ?

Oder ist es nicht der grosse Teil der Gesellschaft, der diese Minderheit aus ihrer Mitte ausschloss ?


3. Alles Unsinn. Belege werden mit Freude entgegengenommen.



FINIS